Jeans: Von der Arbeitshose zum Kultobjekt

Jeans: Von der Arbeitshose zum Kultobjekt
Jeans: Von der Arbeitshose zum Kultobjekt
 
Levi Strauss
 
Der 1829 in Buttenheim bei Bamberg geborene Löb Strauß wanderte 1847 im Alter von 18 Jahren mit seiner Mutter in die Vereinigten Staaten aus. Zunächst schlug er sich als Kleider- und Kurzwarenhändler durch, und 1853 folgte er, wie viele Tausende anderer Einwanderer, dem Ruf des Goldes nach Kalifornien. Wie berichtet wurde, fiel ihm dort auf, dass normale Hosen den Anforderungen, die die harte Tätigkeit der Goldgräber an die Kleidung stellte, nicht gewachsen waren. Daher ließ er einen Schneider aus mitgebrachtem Segeltuch eine unverwüstliche Hose schneidern, die sofort einen durchschlagenden Erfolg erzielte. Strauß (inzwischen nannte er sich Levi Strauss) eröffnete in San Francisco ein eigenes Geschäft.
 
Im Jahre 1873 ließ er mit Erlaubnis des Erfinders Jakob W. Davis die Vernietung der Hosentaschen patentieren, die somit der Beanspruchung durch Gesteins- und Goldbrocken gewachsen waren. Zu dieser Zeit war Strauss auch bereits vom braunen Segeltuch zum blauen, mit Indigo gefärbten Denim (einem Baumwollstoff, »serge de Nîmes«) übergegangen — die Bluejeans war geboren, der Begriff wurde allerdings erst in den Zwanzigerjahren unseres Jahrhunderts geprägt. Das am hinteren Bund angebrachte Lederetikett wurde 1880 eingeführt, das rote Markenzeichen an der rechten Gesäßtasche 1936.
 
Seither hat sich an der »Levi«s« nichts Wesentliches mehr verändert, abgesehen vom nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführten Reißverschluss, neben dem aber der Eingriff mit Knöpfen weiter besteht. 1902 verstarb Levi Strauss in San Francisco als reicher Mann ohne Nachkommen. Einen Teil seines Vermögens hatte er der University of California für Stipendien zur Verfügung gestellt, und er spendete einen bedeutenden Betrag für die Restaurierung des jüdischen Friedhofes in seinem Heimatort Buttenheim.
 
 Der weltweite Siegeszug der Bluejeans
 
Bis in die Dreißigerjahre blieb die Jeans überwiegend eine Arbeitshose, die wegen ihrer Zweckmäßigkeit überzeugte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wandelte sie sich zu einer Modeerscheinung. Filmstars wie Marlon Brando und James Dean verhalfen der Hose der Westernhelden zu einem rebellischen, nonkonformistischen Image, das sie bis in die Siebzigerjahre nicht verlor.
 
Nach dem Krieg hielt die Bluejeans durch die US-Soldaten auch Einzug in Deutschland. In der Anfangszeit gab es einen blühenden Schwarzmarkt, und der spätere Jeanshersteller Albert Sefranek (Mustang) bezahlte 1949 sechs Flaschen Schnaps für sechs Originaljeans in sechs verschiedenen Größen, die er als Schnittmuster verwendete.
 
In den Fünfziger- und Sechzigerjahren wurden auch in Europa mehrere Herstellerfirmen für Bluejeans gegründet (in den USA gab es neben Levi«s bereits Lee und — schon seit 1889 — Wrangler), die zunächst mit in Europa erhältlichen blauen Stoffen arbeiteten, bevor sie amerikanischen Denim importierten und ab den Siebzigerjahren selbst Denim produzierten: 1956 Mustang (Deutschland), 1958 Rifle (Italien), 1962 Falmer (England), 1964 Carrera (Italien), 1967 Lois (Spanien), 1967 Chipie (Frankreich).
 
Noch in den Siebzigerjahren haftete der Bluejeans ein Image des Rebellischen bzw. Verruchten an, und vielen Jugendlichen wurde von ihren Eltern das Tragen von Jeans verboten — oder zumindest von engen Jeans, vor allem den Mädchen.
 
 Der Weg zum Modeartikel
 
Erst mit Beginn der Achtzigerjahre wurden Jeans zur Massenware, die auch problemlos von älteren Menschen getragen wird. Parallel zur Popularisierung der Bluejeans entwickelte sich das Segment der Designerjeans, die in aufwendigen Modenschauen präsentiert und zu hohen Preisen verkauft werden. Auch im mittleren Preissegment entstand plötzlich eine vorher unbekannte Vielfalt von Schnitten, Stoffarten und Farben. Eine der ersten modischen Formen, die sich neben der klassischen Röhrenform (und der Schlaghose der frühen Siebziger) auf breiter Basis durchsetzte, war die »Karottenjeans«.
 
»Jeans« ist schon lange nicht mehr gleichbedeutend mit »blau«, auch wenn die Bluejeans nach wie vor den größten Marktanteil hält. Verschiedene Marmorierungen, »pre-washed«, »stone-washed«, »pre-shrunk«, das sind einige der Attribute, mit denen sich bestimmte Jeans von anderen unterscheiden, abgesehen von verschiedenfarbigen Nähten, Aufnähern, Knöpfen oder Taschenanordnungen.
 
Die Stretch-Jeans, die sich in Amerika vor allem bei der Damenwelt großer Beliebtheit erfreut, hatte in Deutschland keinen durchschlagenden Erfolg und fristet ein Nischendasein. Ein besonderer Status kam der Jeans in der ehemaligen DDR zu: »Westjeans« waren ein Symbol der Freiheit und der Opposition, ein hochstilisiertes Kultobjekt der Subkultur, und sie wurden ausschließlich auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Die von der staatlich gelenkten Industrie angebotenen Ersatzprodukte stießen in diesen Kreisen nur auf Verachtung.
 
 Jeansproduktion und Political Correctness
 
In den letzten Jahren wurden zunehmend Stimmen laut, die die Bedingungen kritisieren, unter denen Jeans produziert werden. Dabei geht es einerseits um die Ausbeutung von Arbeitskräften in Billiglohnländern (Mittelamerika, China etc.) mit zweifelhafter Menschenrechtslage, andererseits geht es um den pestizidintensiven Baumwollanbau — ein Viertel der weltweit verwendeten Pestizide entfallen auf diesen landwirtschaftlichen Sektor. Das Unternehmen Levi Strauss hat sehr schnell auf diese Kritik reagiert und die Produktionsverträge mit Birma und China storniert. Des Weiteren gibt es in dieser Firma einen strengen Verhaltenskodex, und sie arbeitet eng mit Gewerkschaften zusammen. Inzwischen wurde die Produktion in China wieder aufgenommen, allerdings werden die dortigen Betriebe auf die Arbeitsbedingungen hin überprüft. Levi«s steht damit in punkto Political Correctness an der Spitze der Jeanskonzerne, allerdings geht das Unternehmen bisher nicht so weit, über die Verwendung biologisch produzierte Baumwolle oder alternative hochwertige Fasern (z. B. Hanf) nachzudenken.
 
 
Inge Wolff: Moderne Umgangsformen. Jeans oder Smoking? Neuausgabe Niedernhausen 1995.

Universal-Lexikon. 2012.

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